Fachliches Konzept
1.Einleitung
2.Zielgruppen
3.Prinzipien
4.Zielsetzung
5.Team
6.Arbeitsmethoden
Das folgende Konzept beschreibt den Charakter, die Arbeitsweise und die Ziele des Psychosozialen Tageszentrums Regenbogen (vormals „Regenbogenhaus“), das vom Verein Regenbogen seit 1982 an seinem heutigen Standort betrieben wird. Die Einrichtung entstand – bereits zu Beginn der Psychiatriereform – aus der Einsicht, dass jeder von uns schnell in die Lage kommen kann, den Anforderungen und Normen der Gesellschaft nicht mehr gewachsen zu sein und daher isoliert und diskriminiert zu werden. Jedoch hat jeder Mensch unabhängig von sozialer Stellung, Alter oder Besitz das Recht, dass sein persönlicher Wert durch die Gemeinschaft anerkannt wird. Diese Anerkennung und Wertschätzung wird den Menschen, die zu uns kommen, entgegengebracht.
Wir sind da für alle erwachsenen Menschen jeder Altersgruppe in unterschiedlichen Lebenslagen und Situationen, sowohl für Menschen mit psychischen Erkrankungen, Behinderungen, Suchterfahrungen, als auch wohnungslose, sozial isolierte, erwerbsarbeitslose oder von sozialer Ausgrenzung betroffene Personen. Menschen, die zu uns kommen, werden als Besucher und Besucherinnen aufgenommen und auch so genannt.
Das Psychosoziale Tageszentrum Regenbogen wendet sich nicht nur an eine spezielle Zielgruppe, sondern bietet einer Vielzahl von Menschen mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen Unterstützung an. Das ist einzigartig in Wien und ein besonderes Charakteristikum unseres Hauses.
Unsere Einrichtung zeichnet sich aus durch:
- Niederschwelligen und unbürokratischen Zugang: Anonymität (keine „Klient_innenkartei“), kostenloser und offener Zugang, nicht-amtlicher Charakter, Freiwilligkeit, keine Anmeldung erforderlich, etc.
- Partizipation: Mitbestimmung durch demokratische Hausversammlungen und bei den Angeboten, Mitgestaltung durch selbst organisierte Programmpunkte, etc.
- Freiwilligkeit: Freiwillige Teilnahme an Veranstaltungen und Angeboten (ausgenommen Workshops, Hausversammlungen und Regenbogenkonferenzen – siehe Methode Gruppenarbeit), Besucher_innen können während der Öffnungszeiten jederzeit kommen und gehen, etc.
- Hilfe zur Selbsthilfe und Empowerment: Selbstvertrauen und Selbstwert stärken, Ressourcen aktivieren, Konfliktfähigkeit sowie Selbstständigkeit fördern, etc.
Wir bieten unseren Besuchern und Besucherinnen einen Ort der Gemeinschaft, wo sie Unterstützung erhalten, eine Tagesstruktur vorfinden und dauerhafte Kontakte knüpfen können. Dadurch entstehen Netzwerke, die auch über das Tageszentrum hinaus wirken. Wir begegnen den Menschen, die zu uns kommen, mit einer wertschätzenden Haltung und nehmen sie in ihrer momentanen Situation wahr. Weitere zentrale Ziele sind, Besucher und Besucherinnen in Entscheidungen einzubinden, Ressourcen zu aktivieren und zu stärken, sowie soziale Kompetenz zu fördern. Durch Angebote wie tägliches Essen, Kleider- und Essensausgabe, Wäsche waschen, Duschen sowie psychosoziale Unterstützung gehen wir auf Grundbedürfnisse ein.
Unsere Arbeit ersetzt nicht jene von Psychiater_innen, Therapeut_innen, Ärzt_innen, Sachwalter_innen und bereits zuständigen Sozialarbeiter_innen. Wir sehen die von uns geleistete professionelle Beziehungsarbeit als wichtige Ergänzung. Durch den niederschwelligen Charakter des Tageszentrums sind wir oft leichter zugänglich als andere Stellen. Unterstützung wird jedoch nur innerhalb des Hauses angeboten, sie erstreckt sich nicht auf persönliche Begleitung oder Betreuung außerhalb (z.B. Begleitung bei Amtswegen).
Professionalität, Qualitätssicherung, Vernetzung sowie ständige Optimierung und Weiterentwicklung sind uns wichtig.
Voraussetzungen für die professionelle Umsetzung unserer Ziele sowie für die Qualitätssicherung sind:
- Fachliche Kompetenz und Multiprofessionalität (Sozialarbeiter_innen und Lebens- und Sozialberater_innen, sowie Pädagog_innen und/oder Psycholog_innen)
- regelmäßige Teambesprechungen
- mehrere Klausurtage im Jahr
- regelmäßige Gruppensupervision
- fachspezifische Fortbildungen
- Mitarbeit von Praktikant_innen einschlägiger Ausbildungseinrichtungen
Die zwei wesentlichen Methoden zur Erreichung unserer Ziele sind die Gruppenarbeit (Arbeit in und mit der Gruppe) sowie beratende Gespräche.
6.1 Gruppenarbeit
Die Gruppenarbeit in unserer Einrichtung teilt sich in drei Ansätze: die offene Gruppenarbeit, die geleitete Großgruppe und die Arbeit in Kleingruppen.
6.1.1 Offene Gruppenarbeit
Die offene Gruppenarbeit beginnt mit dem Eintreffen der ersten Besucher und Besucherinnen, d.h. wir arbeiten ständig mit einer (Groß-) Gruppe von Menschen. Wir erkundigen uns über Befindlichkeiten, bearbeiten Konflikte in der Gruppe, führen Alltags-Gespräche und Diskussionen, achten auf die Einhaltung der Hausregeln, spielen, essen und putzen gemeinsam. Auch Feste, Samstagsangebote wie Disco oder Ausflüge zählen zur offenen Gruppenarbeit. Es ist uns wichtig, einen sicheren und gemeinschaftlichen Raum zu geben, in dem sich alle wohl fühlen. Bei groben Verstößen gegen die Hausregeln behalten wir uns vor, ein Hausverbot auszusprechen.
6.1.2 Die geleitete Großgruppe
Im Gegensatz zur offenen Gruppe ist die geleitete Großgruppe strukturiert und zielorientiert. Die Teilnahme ist für die anwesenden Besucher und Besucherinnen verpflichtend, um die persönliche Entwicklung und Mitbestimmung im Haus zu fördern. Diese Methode findet Anwendung bei den monatlich stattfindenden Hausversammlungen und „Regenbogenkonferenzen“, sowie den gelegentlichen Workshops:
- Die Hausversammlung findet am Anfang jedes Monats statt. Sie dient zur Abklärung des Samstagsprogramms für das Folgemonat, sowie strukturellen Anliegen. Die Moderation wird von einem Besucher / einer Besucherin übernommen. Jede und jeder kann Themen einbringen. Diese werden diskutiert, mehrheitlich abgestimmt und in einem Protokoll festgehalten, welches am Schwarzen Brett veröffentlicht wird.
- Die Regenbogenkonferenz findet ebenfalls monatlich statt. Hier geht es darum, etwaige Konflikte offen anzusprechen, zu bearbeiten und Lösungsstrategien zu finden. Die Moderation erfolgt durch einen Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin. Die Themen können wiederum von allen eingebracht werden.
- Workshops werden gelegentlich, meist an Samstagen, angeboten. Die Themen ergeben sich aus den Bedürfnissen der Besucher und Besucherinnen, sowie durch Ideen des Teams. Es geht dabei nicht nur um die Vermittlung von Wissen, sondern auch um die persönliche Weiterentwicklung der Besucher und Besucherinnen.
6.1.3 Kleingruppenarbeit
Ein Großteil unserer Angebote findet in Form geleiteter Kleingruppen statt. An jedem Tag gibt es zwei bis drei Angebote, wobei die Teilnahme auch hier freiwillig und (ausgenommen bei Essensangeboten) kostenlos ist. Wir bieten eine breite Palette an Kleingruppen an, um möglichst viele Interessen abzudecken, und Ressourcen der Besucher und Besucherinnen zu aktivieren. Unsere Angebote haben je nach Schwerpunkt spezifische Ziele (Allgemeine Ziele der Gruppenarbeit siehe Punkt 6.1.4) und lassen sich folgendermaßen einteilen:
- Gesprächsrunden (Englisch-, Ethik- und Frauenrunde, Männerstammtisch, etc.):
Wünsche und Bedürfnisse mitteilen, Problembewusstsein und Lösungsstrategien entwickeln, Raum schaffen für spezifische Themen und Anliegen, in geschütztem Rahmen Meinungen austauschen, kommunikative Fähigkeiten fördern und üben, etc. - Kreativ-Angebote (Zeitung, Theatergruppe, Holz-, Kunst-, Keramikwerkstatt, Chor, etc.): Ausdruck von Gefühlen und Emotionen, Talente und Kreativität fördern, Konstruktive Kritik erlernen, Spaß und Freude haben, positive Zusammenarbeit und gemeinsamen schöpferischen Prozess erleben, etc.
- Essens-Angebote (Imbissstube, Jause, gemeinsames Montagskochen, etc.): Grundbedürfnisse decken, gemütliches gemeinschaftliches Beisammensein, Rücksicht nehmen auf Bedürfnisse der anderen (gerechtes Teilen), Aufgaben übernehmen, etc.
- Bewegungs-Angebote (Qi Gong, Bewegung und Improvisation, Tischtennis, etc.): Körperbewusstsein und Bewegung fördern, Energie tanken, Entspannung, etc.
6.1.4 Allgemeine Ziele der Gruppenarbeit:
- Aktivieren von persönlichen Ressourcen und Fähigkeiten
- Fördern des Selbstvertrauens und der Eigenverantwortung
- Stärken des Gruppenbewusstseins und der Gemeinschaft
- Anregen zur gegenseitigen Hilfe und Selbsthilfe
- Fördern von sozialer Kompetenz und Konfliktfähigkeit
- Vermitteln von Akzeptanz und Toleranz gegenüber sich selbst und anderen
- Wertschätzender Umgang miteinander
- Motivieren zur Partizipation
- Anregen zu demokratischer Mitbestimmung
- Stärken des Sicherheitsgefühls
- Umgehen mit Regeln
- Erleben von Spaß und Freude in der Gemeinschaft
6.2 Beratende Gespräche
Beratende Gespräche werden meist auf Wunsch der Besucher und Besucherinnen geführt. Im Bedarfsfall wenden sich auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an Besucher und Besucherinnen, um ein Problem oder eine spezielle Situation zu besprechen. Außerdem wird mit Personen, die zum ersten Mal ins Haus kommen, ein Erstgespräch geführt, das dazu dient, Angebote und Hausregeln vorzustellen. Gespräche spontan und unangemeldet durchführen zu können, kommt vielen Besuchern und Besucherinnen entgegen und vermindert „Hemmschwellen“, die entstehen, wenn man sich für ein Gespräch anmelden muss.
In den beratenden Gesprächen wenden wir professionelle Methoden der Gesprächsführung an. Diese Gespräche lassen sich je nach Inhalt unterteilen in Einzelgespräch, Konfliktgespräch und Krisengespräch.
6.2.1 Einzelgespräch
Einzelgespräche haben persönliche Anliegen, Probleme im Umfeld, Informations- und Weitervermittlung, etc. zum Inhalt. Wir gehen dabei auf die Person in ihrer persönlichen Situation ein und erarbeiten gemeinsam Handlungsmöglichkeiten und Lösungsstrategien. In diesem Rahmen wenden wir auch Methoden der Einzelfallarbeit an.
Erfordern die Lebensumstände bzw. spezifische Fragestellungen eine spezielle Betreuung außerhalb des Hauses, dann informieren wir über zuständige Einrichtungen und Organisationen.
6.2.2 Konfliktgespräch
Da sich in jeder Gruppe Konflikte ergeben können, sind gelegentlich auch Konfliktgespräche erforderlich. Bei Konflikten zwischen Besuchern und Besucherinnen kommt es nur dann zu einem begleiteten Gespräch, wenn beide Parteien dazu bereit sind. Bei einem Verstoß gegen Hausregeln hingegen ist ein Gespräch verpflichtend. Bei Konfliktgesprächen arbeiten wir mit Ansätzen der Mediation.
6.2.3. Krisengespräch
Unsere Tageseinrichtung begleitet Menschen auch in Krisen. Wir sind darauf bedacht, Krisen bei Besuchern und Besucherinnen früh wahrzunehmen und rechtzeitig zu reagieren. Erleichtert wird uns das durch die Tatsache, dass wir viele von ihnen schon seit vielen Jahren kennen. Damit leisten wir auch wichtige Präventionsarbeit. Aufgrund des Naheverhältnisses und des gewachsenen Vertrauens vieler Besucher und Besucherinnen zu den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen dient unser Haus oft als erste Anlaufstelle in Krisen.
In diesen Fällen geht es darum, die Situation zu stabilisieren, Verbindlichkeit mit der Person herzustellen, das soziale Netzwerk zu stärken und zu geeigneter Betreuung oder Behandlung (Kriseninterventionsstellen, Krankenhäuser, etc.) zu motivieren.
6.2.4 Allgemeine Ziele der beratenden Gespräche
- Wertschätzende Haltung
- Gefühl der Sicherheit vermitteln
- Erleben von tragfähigen Beziehungen
- Vermitteln konkreter praktischer Unterstützung
- Schaffen einer Vertrauensbasis
- Stärken des Selbstwertgefühls und des eigenverantwortlichen Handelns
- Fördern der Selbstwahrnehmung
- Bewusstmachen und Fördern der eigenen Ressourcen
- Aktivieren zur Selbsthilfe
- Bewusstmachen alternativer Handlungsweisen
- Anregen, das Soziale Netz zu pflegen, auf- und/oder auszubauen